CMD Konzept
Praxisgerechte Diagnose und Therapie
der Craniomandibulären Dysfunktion
Wenn die neue Zahnhalsfüllung zu hoch ist: Das Phänomen der Selbstüberprüfung
Kennen Sie das auch: Ein paar Wochen nach dem Legen einer Zahnhalsfüllung kommt der Patient in die Praxis und glaubt, dass der Zahn jetzt zu hoch sei. Es kann auch vorkommen, dass ein Patient sich über einen wurzelbehandelten Zahn beklagt, der auf Kälte reagieren würde. Wer mit einem entschiedenen "kann nicht sein!" reagiert, irrt allerdings. Denn beide Erscheinungen haben eine gemeinsame Ursache.
Schauen wir doch zuerst einmal, wie eine effektive Funktionsuntersuchung überhaupt aussehen sollte.
Wenn die neue Zahnhalsfüllung zu hoch ist: Das Phänomen der Selbstüberprüfung
Kennen Sie das auch: Ein paar Wochen nach dem Legen einer Zahnhalsfüllung kommt der Patient in die Praxis und glaubt, dass der Zahn jetzt zu hoch sei. Es kann auch vorkommen, dass ein Patient sich über einen wurzelbehandelten Zahn beklagt, der auf Kälte reagieren würde. Wer mit einem entschiedenen "kann nicht sein!" reagiert, irrt allerdings. Denn beide Erscheinungen haben eine gemeinsame Ursache.
Diese parodoxen Phänomene sind auf eine besondere Erscheinungsform des Bruxismus zurückzuführen. Doch der Reihe nach: Bruxismus ist nicht gleich Bruxismus. Es gibt einen primären Bruxismus, dessen Ursache unbekannt ist. Man mutmaßt, dass persönlichkeitsbedingte innere Konflikte dahinterstecken. Dann gibt es einen sekundären Bruxismus, der als Folge einer Erkrankung auftritt. Im weiteren Sinn gehört dazu aber jeder Bruxismus aufgrund einer systemischen Störung, die durch eine Medikamenteneinnahme, eine Stressbelastung und durch viele andere Faktoren bedingt sein kann. Darüber hinaus muss es noch eine weitere Form des Bruxismus geben, bei dem die Okklusion eine bedeutende Rolle spielt: Den autoexplorativen Bruxismus.
Das bedarf einer näheren Erläuterung. "Autoexplorativ" bedeutet nichts anderes, als dass eine Selbstüberprüfung dahintersteckt. Als Auslöser dieser Selbstüberprüfung können zwei Ursachen beobachtet werden: Zum einen ein zufälliges Stressereignis wie eine unruhige Nacht oder eine berufliche Belastung, zum anderen eine vorhergehende Zahnbehandlung. In beiden Fällen entdeckt der Patient Störkontakte in den Exkursionsbewegungen, die schon lange vorhanden sind, und beginnt auf ihnen zu bruxieren. Das Parodontium liefert als Rückmeldung eine Missempfindung oder einen Schmerz. Unbewusst bruxiert der Patient verstärkt. Das Resultat: Der Schmerz schaukelt sich auf, eine Schmerzspirale ist entstanden.
Dabei gibt es einen Unterschied zwischen einem Bruxismus als Folge eines zufälligen Stressereignisses oder einer Zahnbehandlung: Im ersten Fall findet der Patient eine Interferenz, die sehr stark ausgeprägt ist und die man, ist sie erst nachgewiesen, ganz selbstverständlich als störend einschätzen würde. Typisch hierfür ist ein mit Kunststoff gefüllter Zahn, der durch Abrasion des Füllungsmaterials eine extrem tiefe Höcker-Fissuren-Verzahnung mit seinem Antagonisten und damit starke Störkontakte in den Exkursionsbewegungen entwickelt hat. Genauso typisch ist ein mit einer Keramikkrone versorgter Zahn neben vielen kunststoffgefüllten Zähnen. Die Krone wird durch Abrasion der anderen Zähne relativ gesehen "höher" und damit zu einer Störung. Bei der vorhergehenden Zahnbehandlung hingegen konzentriert sich der Bruxismus immer auf den Bereich, der behandelt wurde. Das heißt, Störkontakte im Therapiebereich, seien sie auch noch so klein, werden plötzlich entdeckt und bestimmen das Muster des Bruxismus. Da das Differenzierungsvermögen begrenzt ist, kann es gut sein, dass Nachbarzähne stärker von einer bruxismusbedingten Überlastung betroffen sind als der behandelte Zahn selbst.
Dass nach einer Füllungsbehandlung ein Bruxismus entstehen kann, wird in der Literatur beschrieben und auf Fehlkontakte in der Füllung selbst zurückgeführt. Doch dabei hat man nicht genau genug hingesehen. Denn wie erwähnt tritt er auch bei Füllungen auf, die ganz sicher keinen Fehlkontakt haben, sogar bei Zahnhalsfüllungen. Man kann unterstellen, dass der Patient zunächst einmal nur wissen will, ob sich nach einer Behandlung alles so wie vorher anfühlt. Wird eine Störung identifiziert, kann das unbewusst angestrebte Ziel durchaus sein, sie auszuschalten. Der durch eine Selbstüberprüfung ausgelöste Bruxismus dient also der Erkundung und Beseitigung einer okklusalen Störung, ähnlich wie es bei einer scharfen Kante der Fall ist, von der die Zunge nicht lassen kann.
Doch warum sollte das Ganze nur auf Füllungen begrenzt sein? Dafür gibt es keinen vernünftigen Grund. Und tatsächlich kann man in der Praxis diesen autoexplorativen Bruxismus nach so gut wie jedem zahnärztlichen Eingriff erleben. Dazu zählen natürlich auch Wurzelbehandlungen. So kann es sein, dass ein Patient vor einer solchen Wurzelbehandlung über eine Warmempfindlichkeit klagt und sich einige Zeit danach wundert, dass der Zahn vermeintlich kaltempfindlich ist. Ein aufmerksamer Behandler wird dann bei der Okklusionsprüfung eine funktionelle Überlastung nachweisen können.
Wie sehr die Psyche daran beteiligt ist, lässt sie gut an folgendem Beispiel erahnen: Hat man einen Patienten nach einer Caries-profunda-Behandlung darüber informiert, dass der Zahn Probleme machen könnte, darf man sich nicht wundern, wenn er nach einigen Monaten in die Praxis kommt und sagt: "Sie hatten Recht. Der Zahn macht wirklich Probleme." Bei der Untersuchung stellt man dann fest, dass der Zahn nichts anderes als eine funktionelle Überlastung aufweist, ausgelöst durch einen autoexplorativen Bruxismus. Dann hat die Selbstüberprüfung neben den beschriebenen paradoxen Phänomenen auch noch zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung geführt.